Der Entwurf zur Novellierung des Nichtraucherschutzes in Baden-Württemberg ist ein politisches Armutszeugnis
15. November 2025
Bereits im Sommer hatte die Landesregierung Baden-Württembergs einen ersten Entwurf zur Reform des Nichtraucherschutzes vorgelegt. Dieser wurde von einem eigens eingesetzten Bürgerforum – bestehend aus 50 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus Baden-Württemberg – als deutlich unzureichend kritisiert. Nun liegt ein zweiter Entwurf vor. Zwar enthält er punktuelle Verbesserungen (Rauchverbote in Freizeitparks, Zoos, Freibädern und an Haltestellen), bleibt jedoch angesichts der gesundheitspolitischen Bedeutung des Gesetzes weiterhin klar unzureichend. In seiner aktuellen Fassung ist er ein politisches Armutszeugnis und bedarf dringend einer grundlegenden Nachbesserung.
Auch der zweite Entwurf verfehlt sein Ziel
Der derzeit vorliegende Entwurf verfehlt weiterhin das Ziel eines wirksamen Gesundheitsschutzes und wird den erheblichen Risiken des Passivrauchens nicht annährend gerecht. Er bleibt deutlich hinter internationalen und europäischen Standards zurück.
Deutschland ist durch die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (FCTC) völkerrechtlich verpflichtet, umfassende Rauchverbote in öffentlichen Innenräumen sowie an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen umzusetzen. Die im Entwurf vorgesehenen Ausnahmen – insbesondere in der Gastronomie – verstoßen gegen diese Verpflichtungen und sind daher ersatzlos zu streichen. Die gesamte Gastronomie, einschließlich der Festzelte, muss konsequent rauchfrei werden – so, wie es in Bayern, Nordrhein-Westfalen und anderswo schon lange selbstverständlich ist.
Besonders deutlich wird das Defizit des Entwurfs am Beispiel der Festzelte: Eine Regelung, die in Bayern seit vielen Jahren erfolgreich funktioniert, soll in Baden-Württemberg angeblich nicht praktikabel sein. Diese Argumentation überzeugt nicht und legt den Eindruck nahe, dass wirtschaftliche Einzelinteressen (für die es, nebenbei bemerkt, keinerlei wissenschaftliche Begründung gibt!) über Gesundheits- und Kinderschutz gestellt wurden.
Nichtraucherschutz darf nicht an der Tür enden
Ein moderner Nichtraucherschutz darf sich nicht auf Innenräume beschränken. Passivrauchen ist auch im Freien gesundheitsschädlich – insbesondere dort, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Die „EU-Ratsempfehlung vom 3. Dezember 2024 zu rauch- und aerosolfreien Umgebungen“ fordert ausdrücklich weitgehende Rauchverbote, unter anderem in der Außengastronomie, auf Krankenhausgeländen, in Sportstätten, bei Open-Air-Veranstaltungen sowie in Eingangsbereichen öffentlicher Gebäude.
Der vorliegende Entwurf greift diese Empfehlungen nur stark selektiv und inkonsequent auf. Besonders unverständlich und gravierend ist etwa das Fehlen eines Rauchverbots in Fußballstadien – eine Regelung, die in vielen europäischen Ländern längst normal ist. Auch in der Außengastronomie ist ein Rauchverbot dringend geboten. Viele Menschen empfinden es als unzumutbar, beim Essen und Trinken regelmäßig dem gesundheitsschädlichen Rauch anderer ausgesetzt zu sein.
Wille der Bevölkerung darf nicht länger ignoriert werden
Das Bürgerforum zum Nichtraucherschutz in Baden-Württemberg hat deutlich gemacht, dass eine klare Mehrheit der Bevölkerung einen umfassenden Nichtraucherschutz unterstützt. Auch repräsentative Umfragen bestätigen dieses Bild seit Jahren. Dieser gesellschaftliche Konsens wird im aktuellen Entwurf weitgehend ignoriert – ein fatales Signal für die Demokratie und eine verpasste Chance für die Gesundheit und Selbstbestimmung im Ländle!
Wirksamer Nichtraucherschutz ist kein unverhältnismäßiger Eingriff in Freiheitsrechte, sondern schlicht Kernaufgabe des modernen Gesundheits- und Arbeitsschutzes. Er dient gleichermaßen dem Schutz vulnerabler Gruppen wie Schwangeren, Kindern und chronisch kranken Menschen ebenso wie der großen Mehrheit der Nichtraucherinnen und Nichtraucher, die nicht länger bereit ist, die gesundheitlichen Risiken des Passivrauchens im Alltag hinzunehmen.
Der Nichtraucherschutzverband Deutschland e.V. (NRSV) fordert daher – genauso wie zahlreiche andere Organisationen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft – die Landesregierung sowie die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU nachdrücklich auf, den vorliegenden Gesetzentwurf substanziell und konsequent nachzuschärfen. So wie er derzeit ist, handelt es sich um gesundheitspolitisches Versagen auf (fast) vollständiger Linie.
Bildquelle: Staatsministerium Baden-Württemberg







